INTEGRATION
Sehr geehrte Damen und Herren,
Im ersten Teil meines kurzen Vortrages möchte ich auf die theoretischen Grundlagen des Islam hinsichtlich der Fragen des Dialogs, der Toleranz und des Zusammenlebens ansprechen.
Im zweiten Teil werde ich auf bestimmte praktische Aspekte des Handelns der islamischen Glaubensgemeinschaft eingehen.
An diese Stelle möchte ich mit dem Vers aus dem Koran beginnen, der lautet: „ O ihr Menschen, Wir haben euch aus Mann und Frau erschaffen und euch zu Völkern und Stämmen gemacht, auf dass ihr einander erkennen möget.“ Einander kennen zu lernen, anstatt einander zu ignorieren, ist die Pflicht aller Völker der Erde.
Sicherheit als Grundvoraussetzung für glückliches und zufriedenes Leben
Der Gesandte Gottes hob die Sicherheit als wichtiger Faktor für glückliches und zufriedenes Leben hervor, in dem er sagte: „ Wer morgens aufsteht und sich in seiner Umgebung sicher fühlt, von Krankheit verschont und für diesen Tag mit Nahrung versorgt ist, das ist, als läge ihm die ganze Welt zu Füßen.“
Jede Verängstigung oder Erzeugung von Panik und Schrecken in der Bevölkerung ist im Islam verboten
Der Beweis dafür sind die Worte des Propheten s.a.w.s.: „ Ein Gläubiger ist der, vor dem das Leben und der Besitz anderer Leute sicher sind.“ Hier betont Prophet a.s., dass der wahre Glaube nur für diejenigen möglich ist, vor dem alle Menschen in allen Dingen, die ihre Heiligtümer, ihre Ehre und ihren Besitz angehen, sicher sind.
Führung des Dialogs auf die beste Art
Muslime sind zum Dialog verpflichtet gemäß der koranischen Aufforderung: „ Rufe zum Weg deines Herrn mit Weisheit und schöner Ermahnung auf, und streite mit denen auf die beste Art.“
Dr. Yusuf el Kardawi, Vorsitzender des internationalen Verbandes islamsicher Gelehrter, sagte bei der Gründungskonferenz des Verbandes: „ Wir möchten klar signalisieren, dass der Verband der islamischer Gelehrter keine in sich geschlossene Organisation ist, sondern offen für die Umwelt, für alle Religionen, Gesellschaften und Philosophien. Von unserer Religionsgrundlage ausgehend, stehen wir für die Vielfalt der Rasen, Sprachen, Religionen und Kulturen. Nur Gott ist Einer, alles andere ist vielfältig. Gott, in seiner Weisheit, erschuf die Vielfalt und unsere Aufgabe ist der Dialog und nicht die Verbreitung von Konflikten zu fördern.
Die Offenheit und Transparenz
– Glaubensgemeinschaft distanziert sich von radikalen Bewegungen
Die islamische Glaubensgemeinschaft distanzierte sich von dem Treffen der radikalen Muslimen, die ein solches in Wien vor kurzem geplant haben. Die Stellungnahme der IGGiÖ hat geheißen: „Wir sind von keiner Stelle informiert worden, wir wissen davon gar nichts. Die etablierten Vereine in Österreich haben damit nichts zu tun. Von Veranstaltungen, bei denen der Vortragende nicht mit Vor- und Nachnamen genannt wird, raten wir prinzipiell ab. Mit Leuten, die sich nicht deklarieren wollen, wer sie sind und was sie wollen, wolle man nichts zu tun haben.“
„Alle Aussagen, die in irgendeiner Weise hetzerisch gegen jemand anderen – sei es Religion oder Ethnie – werden von uns ohne Wenn und Aber verurteilt. Unsere Religion ist eine Religion der Öffnung und des Verständnis. Wir wollen diesen Geist in Österreich verbreiten und sind hier auf einem sehr guten Weg, wir brauchen keine Hilfe, weder aus Deutschland noch von einem anderen Land“- stand in der Stellungnahme des Medienreferats der Religionsgemeinde Wien.
Jetzt möchte ich auf einige Projekte, die von der IGGiÖ zusammen mit anderen Institutionen in Republik Österreich geführt werden, die mit dem Thema Integration zusammenhängen:
1.Tag der offenen Moscheen
Im Oktober dieses Jahres haben sich am „Tag der offenen Moschee“ über hundert Gebetsstätten beteiligt, mit dem Vorurteile und Ängste zwischen Einwanderungs- und Aufnahmegesellschaft abgebaut werden sollten. Das Motto hieß „ Begegnungen bauen Brücken“ und die Islamische Glaubensgemeinschaft sprach in einer ersten Bilanz von einem „sehr guten Besuch“.
Mehrere Gemeinden hätten zudem den Wunsch geäußert, den „Tag der offenen Moschee“ jährlich stattfinden zu lassen. „Informieren, Begegnungen schaffen, Ressentiments abbauen und Gemeinsamkeiten hervorheben“ waren die Ziele.
Schon bisher hatten einzelne Vereine derartige Aktionen in Gebetshäusern veranstaltet, die IGGiÖ war dabei allerdings nicht vollständig eingebunden. Aufgrund des diesjährigen Erfolgs will die Glaubensgemeinschaft nun jedes Jahr einen „Tag der offenen Moschee“ veranstalten.
Der Präsident der IGGiÖ Dr. Sanac sagte diesbezüglich: „Am Tag der offenen Moscheen sollen nicht nur die Türen weit geöffnet werden, sondern auch die Herzen füreinander.“
Am letzten Tag hat es die Podiumsdiskussion gegeben, wo die Hauptleute bzw. der Präsidenten der Religionsgemeinden in Österreich im Rahmen der Veranstaltung „österreichweiter Tag der offenen Moscheen“ über Transparenz und Momenten der Begegnung diskutiert haben.
2.Religionsunterricht als Förderer der Integration
Am 3. und 4. November 2011 fand eine Fachtagung mit dem Titel “Religionsunterricht und säkularer Staat” in den neuen Räumlichkeiten des Hochschulstudiengangs für das Lehramt für Islamische Religion (IRPA) in Wien Liesing statt. Hochrangige PädagogInnen und WissenschaftlerInnen thematisierten die dialektische Beziehung von Religiosität und Schule. Unterstützt vom Staatssekretariat für Integration des Bundesinnenministeriums sowie vom Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten, standen im Zentrum der Tagung auch Thematiken rund um dem säkularen Staat und Religion.
Die Vorteile und der Nutzen eines guten Religionsunterrichts sind in einem gewissen Umfang wissenschaftlich erforscht, doch insgesamt sei der islamische Religionsunterricht noch zu wenig erforscht. Dennoch belegen die vorhandenen Studien über den Religionsunterricht in Österreich welch integrative Wirkung dieser haben kann, was für die Muslime in Österreich von wesentlicher Bedeutung ist. „
- 93 % der Religionslehrer wollen die Schüler zum Eintreten für den Frieden ermutigen,
- 89 % der Lehrer hat sich die Förderung des interreligiösen Verständnisses als Priorität gesetzt und
- 73 % möchten die Entwicklung einer islamisch-europäischen Identität forcieren.
Wesentliche Folgen und ein Kennzeichen dieses Religionsunterrichts sind einerseits die Entnationalisierung der Religion, da dieser Unterricht in öffentlichen Schulen in Österreich zu einer besonderen innerislamischen Situation geführt hat, denn es ist„ der einzige Ort, an dem muslimische Kinder erfahren und erleben, dass der Islam keine Nationalität darstellt und dass auch in deutscher Sprache darüber gesprochen und reflektiert werden kann.“ Dieser Unterricht stellt den besten Weg dar, wie SchülerInnen selbst lernen und erfahren, dass sie ÖsterreicherInnen sind und selbstverständlich auch mit ihrem Religionsbekenntnis im öffentlichen Raum angenommen werden. Studien an der Universität Wien haben belegt, dass muslimische SchülerInnen in Österreich ein deutlicheres Bekenntnis zu Österreich haben als in anderen europäischen Ländern. Außerdem resultiert die Bereitschaft zum vertieften Respekt des Anderen daraus.
„Nur weil Staat und Religion in unterschiedlichen Einflusssphären sind bedeute dies nicht, dass es keine Berührungspunkte geben soll und auch nicht, dass es ein reines Nebeneinander sein soll“, stellt Staatssekretär für Integration Sebastian Kurz klar. Gerade der Religionsunterricht ist „ein Schnittpunkt wo der Staat den Rahmen vorgibt aber ganz klar die Verantwortung über die konkrete Ausformung des Unterrichts bei den Religionsgemeinschaften liegt.“
3.Dialogforum Islam
Das Dialogforum Islam wurde am 23. Jänner 2012 von Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz und dem Präsidenten der Islamischen Glaubensgemeinschaft, Dr. Fuat Sanaç, initiiert. Das Forum, mit dem die Umsetzung einer weiteren Maßnahme des 20-Punkte-Programms des unabhängigen Expertenrats für Integration erfolgte, diente der Etablierung eines institutionalisierten Dialogs mit Muslim/innen in Österreich.
Ziel des Dialogforums war die Schaffung eines strukturierten Rahmens für einen offenen Austausch zu allen relevanten Themen und Fragestellungen des Zusammenlebens und darauf aufbauend die Erarbeitung von Lösungsvorschlägen für bestehende Probleme und Herausforderungen. Tendenzen der Polarisierung und Radikalisierung und den damit verbundenen Vorurteilen von beiden Seiten soll damit entgegengewirkt werden, wodurch ein wichtiger Beitrag zur Sicherstellung des sozialen und gesellschaftlichen Friedens geleistet wird. Das Zugehörigkeitsgefühl der Muslim/innen zu Österreich und die damit verbundene Identitätsbildung sollen durch den Dialog und davon abgeleitete Maßnahmen gefördert werden. Die Kommunikation von allseits gültigen Werten und Grundrechten ist ebenso Ziel wie die Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen und sozialen Herausforderungen, mit denen Muslim/innen konfrontiert sind.
Der Staatssekräter für Integration Sebastian Kurz hinsichtlich dieses Projekts betonte:
„100 Jahre nach der Verabschiedung des Islamgesetzes sind Musliminnen und Muslime ein selbstverständlicher Teil der österreichischen Gesellschaft. Trotz der langen Tradition des Islam in Österreich gibt es gesellschaftliche Herausforderungen, die wir gemeinsam angehen müssen. So hat auch der unabhängige Expertenrat für Integration in seinem 20-Punkte-Programm den Vorschlag erarbeitet, eine Dialogplattform mit Musliminnen und Muslimen zu etablieren. In Zusammenarbeit mit der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich wurde daher im Jahr 2012 ein Dialogprozess gestartet, um die Fragen des Zusammenlebens zu thematisieren und Maßnahmen vorzuschlagen.
Dr. Fuat Sanac, der Präsident der islamischen Glaubensgemeinschaft brachte zum Ausdruck: „Wir haben dieses Angebot sehr gerne angenommen, da uns die Integration der Musliminnen und Muslime in ihr Heimatland Österreich natürlich besonders wichtig ist und wir diese bestmöglich unterstützen wollen.“ Vor allem wies der Präsident auf die Ausbildung von Imamen und Seelsorgern hin und sagte: „dass die Ausbildung dieser Berufsgruppe in nächster Zukunft auf eine gute Grundlage gestellt werden kann. Denn kein Land kann auf Dauer die religiösen Belange ihrer Bürger/innen als eine Angelegenheit betrachten, deren Betreuung im Ausland wahrgenommen wird.
Die Möglichkeiten einer derartigen Ausbildung an den staatlichen Universitäten, in enger Kooperation mit der IGGiÖ, die eine entscheidende Voraussetzung für die Kontextualisierung des Islam in unserem Lande ist, wären notwendig.
4. Dialoglotsen- und Frauenbeauftragtenprojekte
Noch ein Projekt, das ich erwähnen möchte ist die Schulung der Dialoglotsen- und Frauenbeauftragten.
Gemeinsam mit dem Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten organisiert die islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich heuer wieder eine Dialoglotsenschulung, die primär darauf abzielt engagierte Mitglieder der Moscheegemeinden für einen interkulturellen Dialog auszubilden.
Vor allem geht es darum, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Ende der einwöchigen Schulung eine Brückenfunktion zwischen der lokalen Verwaltung und der muslimischen Gemeinde spielen. Auch all jene, die zwar keine aktiven Mitglieder eines Moscheevereins sind, aber einen engen Kontakt zur muslimischen Community pflegen, sind gerne eingeladen teilzunehmen. Die Themen betreffen die Geschichte Österreich, Kennenlernen der Grundzüge der Staats- und Rechtsordnung, Fragen in Arbeitswelt, Vielfalt der Kulturen u.ä.
Schlusswort
Wenn Muslime, ob einzeln oder in der Gruppe, in einem nicht muslimischen Land verweilen, müssen sie den Frieden und die dortigen Gesetze achten. Sie sind dazu verpflichtet, ihre bürgerlichen Pflichten zu erfüllen und im Rahmen der Gesetze ihre Rechte wahrzunehmen. Als Teil der Gesellschaft sollten sie sich stets bemühen, Gutes zu tun, sich an positiven und erlaubten Projekten zu beteiligen, strittige Fragen im Dialog zu besprechen, gleichzeitig aber alles zu vermeiden, was nach islamischen Standpunkt sündhaft ist. Mit dem Ziel, an der Besserung der Gesellschaft mitzuwirken, sollten sie nach Möglichkeit am gesellschaftlichen und politischen Leben teilzunehmen.
Der Prophet Muhammed s.a.v.s. erzählte einmal von den Menschen, „die auf ein Schiff gingen. Die einen besetzten das Deck, andere fanden Platz im Laderaum. Wenn die Leute aus dem Laderaum Wasser holen wollten, mussten sie immer über das Deck laufen. Sie überlegten, ob sie nicht ein Loch auf der Unterseite des Schiffes bohren sollten, um so direkt ans Wasser zu kommen, ohne die Leute vom Deck dafür um Erlaubnis zu fragen. Was sollten die Letzteren tun? Wenn sie es zulassen, dass das Loch gegraben wird, gehen sie alle zugrunde. Wenn sie es verhindern, sind sie alle gerettet.“
Das Schiff ist ein Bild der Gesellschaft, deren Mitglieder zusammenarbeiten müssen, wenn sie miteinander leben wollen. Ansonsten gehen sie unter.
Mit dem Wunsch, dass wir uns hochschätzen und respektieren möchte ich mit Allahs Worten beenden: Er, der Erhabene sagt im Koran: „Wahrlich, die Gläubigen und die Juden die Christen und die Sabäer- wer immer unter diesen an Gott glaubt und an den Jüngsten Tag und gute Werke tut- sie sollen ihren Lohn empfangen von ihrem Herrn, und keine Furcht soll über sie kommen, noch sollen sie trauern.“
Am 22.11.2013 in Graz
Mag.Sijamhodzic